Bypass-Operation am Herzen

Bei einer Bypass-Operation werden verengte oder verstopfte Herzkranzgefäße durch eine Umleitung überbrückt – daher auch das Wort ‚Bypass‘, das aus dem Englischen kommt und für ‚Umleitung‘ steht. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Herz auch hinter den verstopften Stellen wieder ausreichend mit Blut und Nährstoffen versorgt wird.
Als Überbrückung dienen kleine Venenstücke aus dem Unter- bzw. Oberschenkel (aortokoronarer Venen-Bypass) oder eine Umleitung der Brustwandarterie (Arteria-mammaria-interna-Bypass). Nach einer gelungenen Bypass-Operation gewöhnt sich das kleine Stückchen Venengewebe bald an seine neue Aufgabe. Es bildet seine Wände um und wird zu einer richtigen Arterie.

Wie funktioniert eine Bypass-Operation?
In den meisten Fällen findet die Operation am offenen Herzen unter Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine statt. Damit der Arzt überhaupt an das Herz herankommt, muss er das Brustbein der Länge nach aufsägen. Danach lässt sich der Brustkorb so weit „aufklappen“, dass das Herz frei liegt. Das Herz wird an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, welche die Aufgaben von Herz und Lunge übernimmt. Das Herz selbst wird während der Operation stillgelegt.
Die entnommenen Venenstücke werden auf die richtige Größe zugeschnitten und in das Gefäßsystem des Herzens eingepflanzt. Die Brustwandarterie behält ihren Ansatz und wird nur umgeleitet, d.h. das Ende wird auf das Herzkranzgefäß genäht. Anschließend werden die Herzkranzgefäße mit einer Kühllösung gespült, gleichzeitig kontrolliert der Operateur, ob sie wieder gut durchlässig sind.
Dann wird das Blut wieder durch das Herz geleitet; es wärmt das Herz langsam wieder auf. Meistens beginnt es von selbst wieder zu schlagen, wenn es seine normale Temperatur erreicht hat. Manchmal muss ihm auch ein kleiner Stromschlag auf die Sprünge helfen. Jetzt wird noch einmal genau geprüft, ob alle Nähte dicht sind und das Herz wieder richtig funktioniert. Erst wenn dies gesichert ist, wird die Herz-Lungen-Maschine abgeklemmt.
Seit einigen Jahren wird die Schlüsselloch-Chirurgie auch bei Eingriffen am Herz eingesetzt. Ist nur ein Herzkranzgefäß betroffen, lässt sich die Operation in einigen Fällen über kleine seitliche Einschnitte ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine durchführen.

Wie funktioniert die Herz-Lungen-Maschine?
Bei vielen Eingriffen werden Herz und Lunge aus dem normalen Kreislauf ausgeschaltet und stillgelegt. Ihre Funktion übernimmt eine externe Herz-Lungen-Maschine. Dieser Vorgang wird als extrakorporale Zirkulation (EKZ) oder cardiopulmonaler Bypass bezeichnet. Von den Hohlvenen (Vena cava) wird das Blut in die Maschine geleitet. Dort wird es mit Sauerstoff angereichert. Danach leitet die Maschine das Blut direkt in die Hauptschlagader (Aorta).
Um eine Minderversorgung der einzelnen Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen zu verhindern, wird der Sauerstoffbedarf der Gewebe während der EKZ herabgesetzt. Hierzu bedient man sich der Unterkühlung des gesamten Körpers. Die Abkühlung des Patientenblutes mittels Wärmeaustauscher ist heute das Verfahren der Wahl. Dabei wird der Patient auf eine Körpertemperatur von bis zu 18 Grad Celsius gebracht. Die extrakorporale Zirkulation kann über mehrere Stunden gefahrlos aufrecht erhalten werden. Allerdings kann die Herz-Lungen-Maschine nur innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen die Funktion von Herz und Lunge übernehmen.

Was ist im Vorfeld einer Bypass-Operation zu beachten?
Die Sinnhaftigkeit einer Bypass-Operation muss gegeben sein. Der Betroffene soll mit dem Arzt genau die Vor- und Nachteile besprechen sowie andere Behandlungsmöglichkeiten diskutieren:
Es gibt Situationen, in denen eine Bypass-Operation die beste Option darstellt. Dazu zählen Verengungen der drei großen Herzkranzgefäße oder Verstopfungen des Hauptstammes der linken Herzkranzarterie. Es gibt aber auch Situationen, bei denen von einer Bypass-Operation abzuraten ist. Dazu gehören unter anderem Verengungen sehr kleiner Verzweigungen der Herzkranzgefäße oder ein durch Infarkte stark geschwächtes Herz.
Im Vorfeld der Operation werden alle Organe auf ihre Funktionsfähigkeit untersucht. Dies ist wichtig, um eine Gefährdung durch die Narkose und die große Operation so weit wie möglich auszuschließen.

Was passiert nach der Bypass-Operation?
Nach einer so schweren Operation ist es für die Patienten nicht einfach, wieder auf die Beine zu kommen. Um die Muskeln zu kräftigen, müssen sie täglich krankengymnastische Übungen durchführen. Es dauert meist mehrere Wochen, bis ein Bypass-Patient wieder allein Treppen steigen kann. Trotzdem ist die Bewegung gut für die Beine und den Blutkreislauf. Die Wunden, die durch die Entnahme der kleinen Venenstückchen entstanden sind, müssen versorgt werden.
Das Brustbein braucht für die vollständige Heilung ungefähr zwei Monate. Man muss bedenken, dass es durchgesägt wurde. Zum Vergleich: Die Heilung eines komplizierten Knochenbruchs dauert länger. Da dieser künstliche „Knochenbruch“ aber glatte Kanten aufweist, verheilt er relativ schnell. Nach etwa drei bis sechs Wochen sollten keine Schmerzen mehr auftreten. Während des Heilungsprozesses gilt es für die Patienten ruckartige Bewegungen zu vermeiden. Bei Verspannungen im Schulterbereich, die als Folge der Schmerzen im Brustbein entstehen können, helfen vorsichtige Massagen und Physiotherapie. Ist die Wunde gut verheilt, kann vorsichtige Wassergymnastik sehr wohltuend sein.
Bei vielen Betroffenen tritt einige Zeit nach der Bypass-Operation eine depressive Verstimmung auf. Es ist wichtig, über entsprechende Gefühle zu sprechen und die Operation als Neubeginn und Chance zu verstehen. In einer Rehabilitationsklinik wird nicht nur ein körperliches Aufbauprogramm durchgeführt, sondern auch auf die Stimmungslage des Betroffenen eingegangen. Viele haben nach der Operation große Schwierigkeiten mit der Konzentration. Früher nahmen Wissenschafter an, dass der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine die Ursache dafür sein könnte. In Studien ließ sich dies jedoch nicht bestätigen. Regelmäßige Übungen helfen, die Konzentration zu verbessern. Es kann trotzdem Monate dauern, bis sich die Konzentrationsstörungen wieder zurückbilden.

Welche Komplikationen können auftreten?
Etwa fünf Prozent der Patienten erleiden während des Eingriffs einen Herzinfarkt. Dieser lässt sich jedoch während einer Bypass-Operation sehr viel besser behandeln. Je weniger das Herz durch vorherige Infarkte geschwächt wurde, desto geringer ist auch das Risiko, während einer Bypass-Operation zu sterben. 99 von 100 Betroffenen überleben die Operation. In seltenen Fällen können sich beim Abklemmen der Hauptschlagader Wandverkalkungen lösen. Werden diese mit dem Blut in das Gehirn geschwemmt, kann es zum Schlaganfall kommen.
Nach der Operation können sich die Wunden an den Beinen oder am Brustkorb infizieren. Eine Infektion im Brustkorbbereich ist gefürchtet und bedarf einer besonderen Behandlung, damit die Keime nicht auf den Knochen übergreifen. Kommt es zu einer Infektion des Knochens, muss häufig noch einmal operiert werden. In einigen Fällen wächst das Brustbein nicht richtig zusammen. Dann erfolgt in einer kleinen Operation eine erneute Verdrahtung.
Nach einem Jahr sind der Fachliteratur zufolge erst rund 20 Prozent der Venen-Bypässe erneut verschlossen, nach zehn Jahren sind es ungefähr 40 bis 50 Prozent. Bypässe, die mit einer Brustwandarterie durchgeführt wurden, sind noch nach 20 Jahren zu 90 Prozent offen. Das Risiko eines erneuten Verschlusses hängt unter anderem entscheidend vom Lebensstil ab sowie von eventueller medikamentöser Behandlung von Risikofaktoren für eine Herzkranzgefäß-Verengung wie Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte oder Diabetes mellitus.

Welche alternativen Möglichkeiten gibt es?
Alternativen zur Bypass-Operation können in manchen Fällen eine Aufdehnung der Herzkranzgefäße (PTCA), eine Stentimplantation, eine Rotationsangioplastie oder eine Laserangioplastie sein.
Autoren: Dr. Katharina Larisch, überarbeitet von Univ. Prof. Dr. Peter Schmid
Quelle: www.netdoktor.at